Viele Messwerte, die wir aus Google Analytics und anderen Tracking-Tools erhalten, werden gerne als Ranking-Faktoren behandelt. So galt die Absprungrate immer wieder als kritische Größe, die möglichst gering zu halten war. Mittlerweile ist jedoch klar, dass dieses Konzept in der Form nicht greift. Ähnlich verhält es sich mit der Verweildauer oder Time-on-site. Denn wie lange sich ein Besucher auf einer Website aufhält, ist nicht unbedingt immer als Qualitätsmerkmal geeignet.
Was Google nicht weiß…
Das übliche Szenario sieht in etwa wie folgt aus: Nutzer sucht etwas, bekommt eine Ergebnisliste und klickt auf das, was ihn am ehesten anspricht. Er gelangt auf die Seite und findet das was er sucht – oder eben nicht. Im schlechtesten Falle findet er die gewünschte Information nicht, kehrt zur Ergebnisliste zurück und klickt das nächste Ergebnis (oder verfeinert seine Suche oder lässt es bleiben oder… oder… oder).
Betrachten wir dies aus Sicht der Suchmaschine, sehen wir Folgendes: Benutzer XY kommt auf unsere Seite und führt eine Suche aus. Wir geben ihm eine Ergebnisliste und registrieren den Klick auf eines der Ergebnisse. Dann verschwindet unser Benutzer. Wir wissen zumindest, wohin er verschwunden ist, aber wir wissen nicht, was er dort tut. Wir können es nur annehmen.
Szenario 1: Nutzer kommt nicht wieder
Kommt unser Besucher nicht wieder, kann das bedeuten, dass er die Information gefunden hat, die er suchte. Es ist jedoch auch möglich, dass er von der aufgerufenen Seite auf eine andere Website verwiesen wurde. Auch in diesem Falle sehen wir den Benutzer im Zweifel nicht wieder.
Szenario 2: Nutzer kommt nach kurzer Zeit wieder
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Nutzer auf der gewählten Website nicht das gewünschte Ergebnis gefunden hat. Also kehrt er zu unseren Suchergebnissen zurück. Nun hat er zwei Möglichkeiten.
a) Er klickt das nächste Ergebnis an. In diesem Falle besitzt die zuerst gewählte Seite wahrscheinlich nur geringe Relevanz in Bezug auf seine Suche. Diese Relevanz kann jedoch auch vom Benutzer abhängig sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Website zwar korrekte und auch relevante Informationen zur Suchanfrage enthält, der Nutzer jedoch etwas anderes erwartet hat. Die Verweildauer ist dann sehr wahrscheinlich relativ kurz.
b) Der Nutzer sucht etwas vollkommen Neues. In diesem Falle wissen wir nicht, ob die Zielseite die Suchintention des Nutzers erfüllt hat oder nicht, weil die neue Suche im schlechtesten Falle keinen Bezug zur vorherigen hat. Die Verweildauer hat in diesem Falle keinerlei Aussagekraft.
Szenario 3: Nutzer kommt nach längerer Zeit wieder
Unser Besucher ist vor einiger Zeit aus unserer Ergebnisliste zu einer Website gewechselt und lässt sich erst einmal nicht mehr blicken. Viel später jedoch kehrt er zurück. Können wir dann sicher sagen, dass er sich die Inhalte der Zielseite intensiv durchgelesen hat oder einfach in die Mittagspause gegangen ist? Nein, das können wir nicht. Ebenso gut könnte der Nutzer einfach in mehreren Browsertabs gearbeitet haben und durch eine andere Aufgabe abgelenkt gewesen sein. Dann hat er sich zwar immer noch auf der Zielseite befunden, sich aber nicht mit dieser beschäftigt. Auch in einem solchen Fall ist die Frage nach der Verweildauer obsolet.
Klickt er jetzt ein weiteres Suchergebnis an, könnte man die Annahme treffen, dass es einen intensiven Rechercheprozess auf der Zielseite gab, die gewünschte Information jedoch nicht gefunden wurde. Es wäre aber eben nur eine Annahme.
Dann nutzen wir eben Google Analytics
Mit Fug und Recht könnte man nun in Betracht ziehen, dass es doch möglich wäre, die Daten von Google Analytics mit in die Bewertung einzubeziehen und aus diesen wichtige Messgrößen – wie eben die Verweildauer – zu gewinnen. Allerdings sprechen mindestens zwei Gründe gegen diese Annahme.
We don’t use *anything* from Google analytics in the „algo“.
— Gary „鯨理“ Illyes (@methode) 26. Juni 2017
Google hat wiederholt bekräftigt, dass keinerlei Daten aus Analytics in die Bewertung einer Website einbezogen werden. Zwar dürfte es viele SEOs geben, die genau das anzweifeln. Diese sollten jedoch noch eine andere Tatsache beachten: nicht jede Seite nutzt Google Analytics. Viele Websitebetreiber nutzen Piwik. Andere wiederum lehnen jegliche Tracking-Tools rigoros ab. Damit jedoch alle Websites gleichermaßen auf Basis dieser Daten bewertet werden können, ist eine Abdeckung von 100% erforderlich.
Dann nutzen wir eben die Daten aus Google Chrome
Spätestens wenn Sie diese Seite mit Firefox, Opera oder dem iPhone aufrufen, werden Sie merken, dass auch das keine zuverlässige Datenquelle ist. Die Nutzung der Userdaten aus Google Chrome wäre eine optimale Möglichkeit, wenn wirklich alle Internetnutzer diesen Browser verwenden würden. Solange dies nicht der Fall ist (und hoffentlich niemals sein wird), scheidet auch diese Möglichkeit aus.
Shop, Blog oder Firmenpräsentation?
Wie auch die Absprungrate ist die Dauer der Seitennutzung ein „It-Depends“-Faktor. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Größe in irgendeiner Weise für das Ranking einer Website genutzt wird, sondern lediglich für den SEO beachtenswert ist.
Betreiben wir ein Blog, auf welchem wir außerordentlich gute und lange Artikel veröffentlichen, ist eine hohe Absprungrate in Verbindung mit einer langen Verweildauer sehr wahrscheinlich. Die Artikel werden gerne gelesen und dies dauert natürlich. Allerdings sind die meisten Nutzer nach der Lektüre wieder verschwunden.
Bei einem Shop sollte eine kurze Verweildauer kritisch betrachtet werden. In Verbindung mit einer hohen Absprungrate dürfen Fragen gestellt werden.
Ist unsere Website eine reine Informationsseite, kann die Verweildauer auch sehr kurz sein, weil viele Nutzer aufgrund unseres unschlagbar guten Content nach kurzer Zeit finden, was sie suchen oder schnell wieder weg sind, weil unsere Seite eine einzige Katastrophe ist. In beiden Fällen beobachten wir eine hohe Absprungrate und eine niedrige Verweildauer. Über Relevanz oder Qualität lässt sich jedoch rein gar nichts aussagen.
Die Verweildauer als Ranking-Faktor? Eher nicht!
Die Time-on-site ist aus oben genannten Gründen ganz sicher keine geeignete Grundlage, um eine verlässliche Bewertung einer Website abzugeben. Darum dürfte es relativ unwahrscheinlich sein, dass diese Größe eine Rolle als Faktor für das Ranking einer Seite spielt.
Betrachten Sie die Verweildauer auch nicht als isolierte Messgröße. Dies ergibt in keinem Fall einen Sinn. In Zusammenhang mit anderen Messwerten wie der Absprungrate lassen sich im Zweifel Optimierungspotentiale und Informationslücken identifizieren und schließen. All dies trägt aber ausschließlich dazu bei, Ihre Website qualitativ für die Nutzer aufzuwerten. Und dies ist wichtiger als jedes Ranking.